Es ist bereits dunkel, als ich aus dem Flieger steige. Es
ist tropisch, heiß und feucht, eine nicht sichtbare, dafür umso mehr spürbare
Wand.
Ich fahre vom Flughafen ins Guesthouse, nehme eine Dusche
und laufe danach in der Dunkelheit durch kleine, dunkle Altstadtgassen. Ich
biege um eine Ecke und bin in…
Portugal.
Brasilien.
Es duftet nach gegrilltem Fisch, Bistrotische stehen auf dem
Kopfsteinpflaster, die Gasse ist gefüllt mit Gemurmel und Zigarettenrauch, Kerzen
und alte Straßenlaternen tauchen die Szene in ein warmes Licht.
Ich nehme einen kleinen Tisch in der Nähe der Küche. Nach
zwei Minuten, ich habe noch nicht bestellt, setzt sich Linda zu mir. Vielmehr,
sie steht und wir unterhalten uns, bis ich ihr einen Platz anbiete.
Linda führt ihr Lokal seit zweiunddreißig Jahren, hat (es
ist bereits halb zehn) schon ordentlich einen in der Krone und ist vollends
begeistert, als ich ihr erkläre dass ich aus Deutschland komme – „So warm, so
helpful, so honest, so reliable people“. Schön, wie wir im Ausland wahrgenommen
werden. Thanks so much.
Welcome to Goa. Da wo Indien Portugal ist.
Kirchen unter Palmen sind ... irgendwie... cool. |
Und innen nicht minder pompös. Beeindruckend bei der Vorstellung, dass die Portugiesen die Dinger hier mitten in den Wald gestellt haben. |
…
Zwei Tage später.
…
Frühstück. Ich sitze im Cafe am Strand, der Wind bläst vom
Meer und bläht die weißen Leinentücher der Veranda. Es ist halb zehn morgens,
ich flüchte in den Schatten und lese im „Gott der kleinen Dinge“.
Die Batterien der Kamera sind leer.
Dafür kommt mein Müsli.
Der Koch hat heute wohl Kokosnuss- und Papayaüberschuss und mir
zwei Kokosnüsse ins Müsli geschnitzt, außerdem finde ich neben hausemachtem
Joghurt Orangen, Ananas, Melone und Apfel. Ah und Müsli ist auch drin. Das
Potpourri nimmt eine kleine Salatschüssel und eine halbe Stunde in Anspruch.
Organic
Food at its best. Ganz ohne Etepetete.
Morgens halb zehn in Goa... Verrückt, oder? Ein namhafter deutscher Kletterseilhersteller hat mir bereits zugesichert, das bei der nächsten Outdoor-Messe zu verwenden. ;-) |
Zum Nachspülen gibt’s frisch gepressten Orangensaft, das
Glas für umgerechnet 1,30 Euro. Seitdem bin ich quasi auf
Brigitte-Orangensaft-Diät. Man soll ja in der Hitze auch viel trinken.
Während sich die Engländerin (40? 50? 60? Rot!) vor mir ihres Bikini-Oberteils entledigt, steigen drei Inderinnen in voller Sari-Montur aus dem Wasser. Neonlila, Neongrün und Orange.
Angesichts dieser Szene stellt mir
mein innerer Beobachter gleich mehrere Fragen auf einmal:
a) Was würde eigentlich passieren, wenn sich eine Inderin oben
ohne an den Strand legt? Vermutlich würde sie zu Hause von ihrem Mann halbtot
geprügelt werden.
b) Warum sind indische Frauen ab 40 fast generell extrem
schlecht zu Fuß? Wer mal eine Gruppe indischer Frauen beim Treppen-„Steigen“ beobachtet
hat weiß was ich meine…
Entweder haben sie Probleme vom vielen Kinderkriegen, oder (was ich für
wahrscheinlicher halte) Hüftgelenksknorpeldegenerationen vom Lasten auf dem
Kopf umhertragen. Geht los mit zwölf, endet mit sechzig. 50 Jahre täglich 20
bis 30 Kilo auf dem Kopf bei 50 kg Lebendgewicht (wenn überhaupt). Wasserkrüge
und das Feuerholz, Mehl und Bananen.
Kein Spass, eine indische Frau zu sein.
Ah ne, das ist das falsche. Aber auch schön. Goa bei Tag... |
... und beim abendlichen Curry mit Sand zwischen den Zehen. Sommer ist, wenn man nachts im Tschirt draussen sitzen kann. |
Hier wird tatsächlich noch frisch gefischt. Wer will darf mithelfen, den Fang an den Strand zu ziehen. |
Miguel und Marlene, zwei Freunde, die ich in der kurzen Zeit sehr zu schätzen gelernt habe. |
…
Der nächste Morgen.
Der !$#&!- Hund hat meinen Seestern gefressen! Ich dreh
durch! Aaaah!
Gestern habe ich am Strand einen toten Seestern am Strand
gefunden, den ich an Weihnachten verschenken wollte. Zum Trocknen habe ich ihn
bei mir vor der Hütte auf einen Stein in die Sonne gelegt. Das hat wunderbar
funktioniert.
Bis heute früh.
Als ich aufwache, scheint die Sonne bereits durch die Ritzen
meiner Coco-Hut, die als Teil einer Yogaschule in Goa direkt am Wasser in einer
sehr malerischen, und sehr ruhigen Lagune liegt.
Erster Blick aus der Haustür. |
Und mein Hüttchen (mit der grünen Hose) von der Seite... Prädikat "nicest place on earth" :-) |
In den letzten Tagen habe ich Freundschaft mit einigen der
hiesigen Hunden geschlossen (nirgendwo sind die Hunde friedlicher als in
Indien) bzw. sie mit mir, vermutlich weil der Kerl mit der grünen Hose immer
als erster wach ist (noch vor den Indern) und weils da immer Streicheleinheiten
gratis gibt.
Als ich die Tür öffne, spritzt der Sand am Strand vor der
Hütte, als 24 Pfoten sich auf ihren gerade erwachten Spielkameraden stürzen. Es
ist kurz nach sieben.
Im Getümmel entdeckt einer der Ganoven meinen Seestern. Ich
sehe ihn noch, aber versuch mal einem wilden Hunde seine Beute wieder abzunehmen.
Kannst vergessen. Naja, der Shiva hats gegeben, Shiva hats genommen.
Mein Begrüßungskommitte. Lets play! |
Und das sind meine beiden namenlosen Lieblinge. Zwillinge, folgen mir auf Schritt und Tritt, und beiden (!) hat jemand ein Teil vom rechten Ohr abgebissen... |
Eine halbe Stunde später liege ich bei der Morgenyogasession auf dem Rücken, der
warme, salzige Wind bläst vom Meer. Durch die weißen Leinensegel sehe ich Sand,
Palmen und einen der Hunde von gerade eben, der in der Sonne sein Nickerchen
macht (bzw. meinen Seestern verdaut… Grrrr).
Im Moment sind alle meine Extremitäten in die vier
Himmelsrichtungen verteilt. Lauren, meine morgendliche Yoga-Vorturnerin aus
Boston beugt sich über mich und beginnt erstaunlich bestimmt, meine Wirbelsäule
in eine gefühlte Dreifachspirale zu befördern. Bis gerade war die Pose noch
bequem - uff - die kennt mich schon viel zu gut.
Ich mache Krieger, Hunde, Bäume, Kakteen, Yogis, Kamele, Brücken, Krähen, Tauben, Bretter und was der Yogaführer sonst noch so hergibt. Seit drei Tagen geht das so. Täglich zwei eineinhalbstündige
Yogasessions mit Meerblick. Da geht was.
SO hab ich mir das mit dem Yoga gewünscht! Inklusive Privatstunden, hehe. |
Nach der Nachmittagsyogasession mache ich mich auf die Suche
nach einem (bereits toten) Ersatzseestern. Leider erfolglos, dafür rette ich
ca. zehn noch lebenden, auf dem Rücken liegenden Seesternen das Leben, indem ich sie umdrehe,
so dass sie sich eingraben können.
Einen sogar zweimal, weil ihn die nächste
Welle gleich wieder auf den Rücken spült. Schon erstaunliche Geschöpfe,
hilflos und irgendwie goldig. Und die einzigen mit fünf Beinen, die ich kenne. Warum hat ein Seestern eigentlich fünf Beine?
Davon krieg ich nie genug. Es ist der 12.12.12. Perfektes Orange. |
…
So gehen die letzten Tage meines „Abenteuers Indien“ bei Yoga, Sand, Sonne und schöner Gesellschaft
viel zu schnell dahin.
Ich genieße den letzten Strandspaziergang, den letzten
Sonnenuntergang, den letzten Sonnenaufgang, das letzte Strandmüsli, den letzten
Blick zurück zum Strand.
Bevor ich in den (wie immer vollen) Bus steige.
Der Bus, der mich zum Flughafen bringt.
Wegen dem ich fast noch meinen Flug verpasse, weil er heute
statt einer Stunde zwei Stunden braucht.
Wegen dem ich ein "Motorradtaxi" nehme.
Hundert Sachen ohne Helm, dafür mit Shorts und 30-kg-Rucksack. Nochmal eine halbe Stunde Abenteuer zum Schluss. Hach.
Hundert Sachen ohne Helm, dafür mit Shorts und 30-kg-Rucksack. Nochmal eine halbe Stunde Abenteuer zum Schluss. Hach.
Ich will ein Foto von meinem Held des Tages machen.
Die Batterien der Kamera sind schon wieder leer.
…
"Herr Ernst, darf ich Ihnen zum Start einen Champagner anbieten? - Ja gern."
Irgendwie passend - der kleine Maharadja fliegt nach Hause.
Goodbye
India.
It was a
pleasure meeting you.
See you
again in a while.
For sure.